I  m  p  r  e  s  s  i  o  n  e  n


"Denn Harmonie ist Zusammentönen, Zusammentönen aber ist Übereinstimmen. Übereinstimmung kann aber unmöglich aus Gegensätzen bestehen,

solange sie auseinander streben."

Platon (griech. Philosoph, 428 - 348 v.Chr.)

 


Es gibt streng genommen keine Elektronen, es gibt keinen Atomkern, sie sind eigentlich nur Schwingungsfiguren. An diesem Punkt hatten wir die Materie verloren. Denn was wir am Ende allen Teilens vorfanden, waren keine unzerstörbaren Teilchen, die mit sich selbst identisch bleiben, sondern ein feuriges Brodeln, ein ständiges Entstehen und Vergehen, etwas, das mehr dem Geistigen ähnelt - ganzheitlich, offen, lebendig.

Hans-Peter Dürr (Physiker, 1929 – 2014)

 


„Man verschließt sich auch dem Verständnis der Natur, wenn man alle Pflanzen, Bäume oder Blumen nur auf ihren Nutzen hin betrachtet. Der Mensch ist heute lächerlich stolz, dass er angeblich die Natur sich dienstbar gemacht habe mit allerlei Erfindungen und technischen Fortschritten. Er übersieht, dass er im wesentlichen nur Geister rief, die er nicht loswerden kann, dass er nicht Herrscher, sondern Beherrschter ist, dass er versklavt ist von seinem eigenen Nützlichkeitsdenken.“

Manfred Kyber, Schriftsteller, 1880 – 1933


Ihr Instrumente freilich spottet mein,

Mit Rad und Kämmen, Walz und Bügel:

Ich stand am Tor, ihr solltet Schlüssel sein;

Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.

Geheimnisvoll am lichten Tag

Läßt sich Natur des Schleiers nicht berauben,

Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,

Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln oder Schrauben.

J.W.Goethe, Faust

Das was der Mensch alltäglich übt, in großer Kunst und kleiner Geste …

 

von Peter Hochmeier

 

Das was der Mensch alltäglich übt, in großer Kunst und kleiner Geste, den Ausdruck, ist an sich schon Teil seines Wesens. Ein langer Blick nur, kann eine noch viel längere Geschichte erzählen, ein Zeichen mit der Hand, über Leben und Tod entscheiden. Der Raum, vom Menschen bewohnt, spricht seine Sprache, die Art des Menschen offenbart die Entfaltung des Geistes in der Natur.

 

Ähnlich drückt sich die Pflanze aus, nur träumerisch und unbewußt. Still erzählt der Blick ihrer Blüte, ihr Standort ist der Raum den sie bewohnt, und ihr Wachsen gibt Zeichen, denen die es bemerken.

 

Wenn der Mensch auf die Pflanze trifft dann hält er inne, um ihre Sprache zu verstehen. Er läßt ihr Bild wiederklingen in seinem Innern und beginnt sich zu erinnern.

 

Und je mehr er fähig wird sich zu erinnern, an das große Einssein aller Geschöpfe, desto klarer spricht die Pflanze zu ihm, vom Geheimnis der Freude, ein Teil des großen Kunstwerkes zu sein, ein Teil des Erdenkörpers und damit auch ein Teil des Menschenkörpers.

 

Als vor vielen Millionen Jahren die ersten Pflanzen dem Urmeer entstiegen, da war es ihre Idee, sich der Menschenwelt hilfreich zu nähern. Diesen ersten Schritt taten die Bärlappe, heraus aus dem nassen Element, besiedelten die felsigen Kontinente, formten riesenhafte Wälder und zogen die Entwicklung der Flechten und Farne und schließlich der Gräser und Blütenpflanzen mit sich.

 

Wie nun die erstarrte Erdkruste, durch immer vielfältigere Formen und Gestalten gelockert und geöffnet wurde, da konnte sich der Mensch, als Geistwesen, seiner physischen Verkörperung nähern und Schritt für Schritt sich mit dem Erdhaften verbinden.

 

Auf die Prozesse der Verdichtung folgen jeweils solche der Auflösung, den Wellen des Meeres gleich, in gleichsam epochalen Atemzügen, lebte sich das menschliche Wesen in den Erdenkörper hinein.

 

Unvorstellbare Zeiträume, Kulturen kennend, davon die Mythen der Völker erzählen, von den Freuden im sonnigen Hyperborea, von der Sehnsucht der Lemuren und den grausamen Herrschern Atlantis`, wurden von Phasen großen Wandels, oft katastrophaler Veränderungen, unterbrochen. Um dem Nachklang dieses, heute so geläufigen Wortes seine Bitterkeit zu nehmen, sei auf seinen Ursprung, am Ende des griechischen Notenblattes hingewiesen, wo Katastrophe soviel wie „bitte wenden“ bedeutet.

 

In den großen Traditionen werden die vier Erdzeitalter beschrieben, die sich zyklisch, vergleichbar den Jahreszeiten, im Laufe der Jahrtausende wiederholen. So bezeichnet man das letzte, den „Winter“, als das Dunkle  oder Eiserne Zeitalter, das Kali – Yuga  der Veden, welches den ungefähren Zeitabschnitt von der ersten bis zur zweiten Jahrtausendwende beherrschte. Dem Kupfernen Zeitalter entspricht das, was wir heute Antike nennen, dem Silbernen die atlantische Epoche oder die Jungsteinzeit, und das Goldene Zeitalter entzieht sich unseren Ahnungen und Erinnerungen. Es kann vielleicht auf hunderttausend Jahre zurückdatiert werden. Was das jetzige Goldene Zeitalter, in das die Menschheit seit einigen Jahrzehnten eintritt, bringen wird, werden wir, nachdem die Wirren der Übergangsphase abgeklungen sind, zum Teil noch erleben.

 

Die Zeit selbst zeigt während solch langer Epochen ihre relative Qualität. Sie entpuppt sich, bei genauerem Betrachten, als eine, an die Materie gebundene Energieform, ähnlich der uns bekannten Elektrizität, nur sehr viel subtiler und mächtiger, aber dennoch veränderlich. In einem Goldenen Zeitalter vergeht sie fast gar nicht, beschleunigt dann langsam im Silbernen, noch mehr im Kupfernen, und dann nimmt sie, während des kurzen, Eisernen Zeitalters dermaßen an „Geschwindigkeit“, oder besser an „Dichte“, zu, daß sie sich an dessen Ende gewissermaßen selbst einholt und überschlägt, was stets zu großen Auflösungsprozessen (skr: Pralaya), oder zumindest zu gigantischen Umwälzungen und Bewußtseinssprüngen führt.

 

Der Reigen der Zeitalter im Laufe von Millionen von Jahren, hängt unmittelbar mit der Entwicklung des Menschen, der Erde und des Kosmos zusammen.

 

Von Anfang an war der Mensch damit befaßt, die Erde zu bewohnen, als Gast, und sich von ihr zu lösen, zu seiner Zeit. Und damit lebte er sich auch hinein in den erdhaft – stofflichen Körper, und durch diesen hatte er zu handeln, mit den Dingen der Natur. Richtig gebraucht, förderten diese seinen Zweck, falscher Handel zog Krankheit und Leid an sich.

 

Dieses Urwissen setzt Begreifen, Verstehen voraus, was wiederum Innehalten und Wahrnehmen zur Grundlage hat. Das eben ist, mit Paracelsus´ Worten ausgedrückt „der rechte Umgang mit den Dingen der Natur“, welcher dem „Schauen im Lichte der Natur“ entspringt. Den Forscher und den Heilkundigen führt die Signaturenlehre zum „Schauen und Begreifen“, die Spagyrik zum „rechten Umgang“ und zur hohen Kunst der Alchymie.

 

Während im Mittelalter in weiten Teilen Asiens die alten Wissenschaften noch in voller Blüte standen, waren sie in Europa schon großteils verfallen, der direkte Zugang zu ihren Tiefen und Werten verschlossen, und die neuzeitlichen technologischen Errungenschaften vermochten das Trauma des Verlustes ganzheitlichen Begreifens nicht zu lindern. Etwaige Wurzeln der „Kunst“ verschwinden in der unauslotbaren Tiefe der Vergangenheit, blieben aber dennoch stets lebendig, um immer wieder, in verschiedenen Zeiten und Regionen der Welt, Blüten und Früchte hervorzubringen.

 

Man kann die Kunst des verantwortungsvollen Umgangs mit der lebendigen Natur und das Bestreben des Menschen in ihr einen veredelnden Beitrag zu leisten, ohne weiteres als „Handwerk“ bezeichnen. Die Alchymie selbst ist kein spiritueller Weg zur Gottfindung und schon gar nicht ein System magischer Praktiken. Sie befaßt sich nicht mit dem „Übernatürlichen“ sondern eben mit den „natürlichen Dingen“. Solch mißverständliche  Annahmen entsprangen dem Mangel an echtem Wissen und praktischer Erfahrung und waren nicht nur im Europa der angehenden Neuzeit, sondern auch in anderen Gegenden der Welt, zum Beispiel bei den südindischen Siddhas, bei den mongolischen Khanen oder in den späteren taoistischen Schulen, zeitweise verbreitet.

 

immer wieder trugen die „Kundigen“ dazu bei, Kosmologie und Theosophie ins rechte Licht zu rücken und sowohl den „religiös“ wie auch den „materialistisch“  indoktrinierten Menschen Gedankenwege und Wissensinhalte zu vermitteln, welche ihnen, innerhalb ihrer Strukturen erlaubte, sich der Suche nach tatsächlichem Verstehen anzunähern, man denke dabei nur an Kunckels „Anhang zu der chymischen Natur“, an Cardilucio’s, Kirchwegers oder Fabrè’s Ausführungen zu den Naturkräften, oder selbstverständlich an Paracelsus, Böhme oder Gichtel.

Zweck der „Kunst“ war stets vor allem die „Veredelung“, die es in jeder Hinsicht zu erreichen galt. Man setzte Heilung gleich mit Veredelung und bezog dies sowohl auf den Menschen in seiner Ganzheit, als auch auf alle anderen Reiche der Natur, seien dies Tiere, Pflanzen, Minerale und Metalle. Auf solch hohem Denken gründet die Wissenschaft vom Stofflich – Lebendigen.

 

Es hat einmal eine alte Kräuterfrau gesagt: „Ich hab‘ nie ein Buch gelesen und kaum die Schule besucht, aber ich schaue eine Pflanze an und weiß wofür sie gut ist. Wenn ich auf Reisen gehe, zu den Medizinleuten ferner Länder, dann staunen sie, daß ich die Wirkung ihrer eigenen Heilpflanzen erklären kann, die mir doch unbekannt sein sollten.“

 

Weitab vom Aberglauben universitärer Dogmen und intellektueller Eitelkeiten breitet sich heute vor dem Menschen ein reicher Schatz lebendiger Traditionen, aus geographisch und historisch unterschiedlichen Kulturkreisen, aus. Zusammenschauend fällt Gleichheit oder zumindest Ähnlichkeit im Begreifen von Mensch, Natur und Kosmos auf. Wie sollte es anders sein, wird doch  Hitze und Kälte, Licht und Dunkelheit, auf jeder Seite des Erdballs ähnlich empfunden. Es ist die Erkenntnis allgemein, daß eine Polarität der Natur zugrundeliegt, und aus dieser heraus sich dann die verschiedenen Entfaltungen ergeben.

 

Die Lehre von den „drei Säften“, Wind, Feuer, Schleim (vergleichbar mit skr.: Vata/Vayu, Pitta/Agni, Kapha/Shlesma etc.), die „philosophischen Prinzipien“, Sulfur, Merkur und Sal (vergleichbar mit den „Gunas“ / „Fäden“ Rajas, Satva, Tamas), die Fünfheit im Reigen der „Elemente“, die Einwirkung der „Planetenkräfte“ auf die Körper, das alles ist unmittelbares Verstehen aus der Natur, der Beobachtung von Ablauf und Vernetzung und bildet die Grundlage der großen Natur- und heilkundlichen Traditionen in allen Weltgegenden. Dieses sind die „Schlüssel“ zum Eindringen in das unendliche „Webwerk Natur“ auf nachhaltige, authentische Weise, und sie erschließen das selbstständige Entfalten von Verstehen und Anwenden.

 

Die INTERTRADITIONALE AKADEMIE soll dem Interessierten zeitloses hermetisches Denken nahebringen und dazu anregen, das „natürliche Gewebe“ ganzheitlich zu betrachten. Dies mag dem Laien im alltäglichen Leben genauso dienlich sein, wie dem Therapeuten, dem Heilkundigen, dem Akupunkteur, dem Naturkundigen, dem Künstler und dem Pädagogen etc.

Ein Grundwissen über die Prinzipien und Säfte, Hitze und Kälte, Elementar– und Planetenkräfte etc. werden heute bereits wieder in hochwertigen Therapie- und Ernährungskonzepten beachtet, welche sich am physischen und energetischen Aufbau des Körpers gleichermaßen orientieren. Auch bilden sie oft die Grundlage eines naturgemäßen Anbaus von Lebensmitteln und Heilpflanzen, sowie deren weiteren Präparation. Mit der Signaturenkunde öffnet sich uns ein weites Gebiet, auf dessen Grundbausteinen ein weitreichendes, umfassendes Betrachten wachsen kann. Hier befinden wir uns in der Grundschule jener Kunst, die Paracelsus „den rechten Umgang mit den Dingen der Natur“ nennt.

 

Dabei geht es nicht um „Philosophie“ und schon gar nicht um „Esoterik“ im heutigen Sinne der Worte, sondern eben um „Naturbegreifen“, als ein Zurückgewinnen jener Realität, welche dem Menschen in Jahrtausende währender Epochen „hoher Kultur“ vertraut und selbstverständlich war.

 

Durch Innehalten und Wahrnehmen wird die Sprache der Natur verständlich. Doch stellt sich uns jenes uralte-zeitlose Wissen mit so tiefgründiger Größe dar, daß wir auch manchmal bloß imstande sind seine Grenzen zu berühren. Forschergeist und Kreativität werden wachgerufen, und vor allem Freude am Dasein.

 

P. H.



„Es kommt nicht darauf an, wie der Wind weht, sondern wie wir die Segel setzen.“

Sokrates